Wann haben Sie zum letzten Mal über den Stuhl nachgedacht, auf dem Sie gerade sitzen? – Mit der Ausstellung „Sitz richtig!? Stühle und warum wir sie lieben“ richtet der Deutsche Werkbund NW den Blick auf unsere Jahrtausende alte Sitzbegleiter. Die Ausstellung im Baukunstarchiv NRW in Dortmund wurde am 2. März mit einer Vernissage eröffnet. Sie ist noch bis zum 2. April zu erleben.

„Stühle sind wohl die emotional am stärksten aufgeladen Gegenstände unseres Alltags“, meint der Kurator der Ausstellung, der Kölner Künstler, Architekt und Hochschullehrer Dr. Thomas Schriefers. „Sie bevölkern Wohnungen, öffentliche Gebäude und den urbanen Raum. Im Museum werden sie heute als Ikonen in Szene gesetzt, bewundert wie ein Star. Privat werden sie vererbt oder auch als Sperrmüll an den Straßenrand gestellt.“ – Doch was macht die Besonderheit dieser Gegenstände aus? Was muss ein (guter) Stuhl in Hinblick auf Ästhetik, Ergonomie, Nachhaltigkeit und Nutzbarkeit leisten?

Auf AH-Möbel in der Ausstellung: Kurator Dr. Thomas Schriefers – Foto: Melina Beierle/Architektenkammer NRW

Material und Funktion

Die Ausstellung „Sitz richtig!? – Stühle und warum wir sie lieben“ zeigt Sitzmöbel verschiedener Epochen und Qualitäten. Der Titel ist dabei bewusst mit einem Fragezeichen versehen, fordert die Schau doch zur Diskussion über Sitzkonventionen, zu Widerspruch und Austausch auf. Dazu dienen Vorträge und ein Workshop, der während der Laufzeit der Ausstellung im Baukunstarchiv NRW stattfinden wird.

Die Exponate ordnen sich in zwei Gruppen. Einerseits werden Beispiele für die Verwendung verschiedener Materialien gezeigt, Stühle aus Holz, Korb, Papier, Metall und Kunststoff; „wobei wir uns bewusst sind, dass heute aus verschiedenen, auch natürlichen und recycelten Stoffen entwickelte Komposit-Materialien eine immer größere Bedeutung haben“, betont Kurator Dr. Schriefers. Wie auf einem Catwalk posieren dort „Stuhlindividualitäten“  ob Stilikone, Alltagssitz oder Formexperiment.

Die zweite Gruppe formiert sich auf einer frei im Raum des Lichthofs des Baukunstarchivs NRW und zeigt exemplarisch Beispiele für verschiedene Funktionen – vom Betstuhl über Kinderstühlchen, einklappbar-mobile Sitze, einen Lounge-Chair, den Outdoor-Butterfly-Chair bis hin zu einem „Zitt(h)erthron“ von der Künstlerin Margret Schriefers-Imhof: ein Stuhl, dessen Rückenlehne aus einer umfunktionierten Zither besteht, welche schrille Töne erzeugt, sobald man sich dort anlehnt.

Kunstobjekt Zitt(h)erthron; Idee: Margret Schriefers-Imhof (2009/2010); Umsetzung: Schriefers-Imhof (2010) – Privatsammlung, Köln – Foto: Julia Neuhaus / Baukunstarchiv NRW – Foto: Julia Neuhaus/ Baukunstarchiv NRW

Reflexion über einen wichtigen Alltagsgegenstand

Die Ausstellung „Sitz richtig!? Stühle und warum wir sie lieben“ kann und will kein umfassendes Bild vom Stuhl-Kosmos zeichnen, so Kurator Thomas Schriefers. „Doch sie knüpft an eine Diskussion an, die in Zeiten des Ringens um mehr Nachhaltigkeit gerade auch die Dinge unserer privaten Umwelt auf den Prüfstand stellt.“

Werner Paulussen, erster Vorsitzender des Vorstandes des Werkbund Nordrhein-Westfalen, verwies im Rahmen der Ausstellungseröffnung Anfang März ganz besonders auf die Vielfalt an ausgestellten Objekten – vom Betstuhl bis hin zum Camping-Chair. Stühle würden sowohl von Designer und Entwicklern als auch von Architektinnen und Architekten gestaltet – ein interdisziplinäres Thema.

Design-Sammlung Schriefers und Baukunstarchiv NRW

Die gezeigten Modelle stammen dabei größtenteils aus dem Bestand der Design-Sammlung Schriefers, zudem werden Stücke aus der Sammlung des Baukunstarchivs NRW präsentiert. Darunter finden sich Stühle, die aus 19. Jahrhundert stammen; zeitgleich werden auch Stuhlprototypen aus dem 21. Jahrhundert gezeigt. Zwei Ausstellungsobjekte („AH, A und H“, Idee: Birgitta Lancé, 1990er Jahre) laden den Besucher darüber hinaus zum „aktiven Sitzen“ im Baukunstarchiv NRW ein – mit Blick auf die anderen ausgestellten Sitzgelegenheiten im Lichthof.

„Sitzen ist komplex – und wichtig. Einen Großteil unseres Lebens verbringen wir sitzend“, ergänzte Markus Lehrmann, Geschäftsführer des Baukunstarchivs NRW, im Rahmen seiner Rede zur Vernissage. „Wir sind froh, eine solche Ausstellung zeigen zu können, die das ‚Objekt Stuhl‘ so facettenreich präsentiert und uns zum Nachdenken anregt.“

Weitere Informationen zur Ausstellung auch hier.

Text: Christof Rose/Melina Beierle