Wie gehen wir mit bestehenden Gebäuden um? Und wie kann der Anspruch einer „Umbaukultur“ konkret gelebt werden? Diese Fragen wirft die Ausstellung „Der doppelte Verlust – Fotografien, Montagen und Texte zum Verschwinden von Bausubstanz und Stadtidentität“ im Baukunstarchiv NRW auf. Präsentiert werden Fotografien und Montagen von Jonathan Schmalöer (Architektur-Absolvent der RWTH Aachen), die leerstehende Gebäude und Bauten mit Abrissvorhaben im Dortmunder Stadtraum in den Blick rücken; zudem Texte von seinem Vater Richard Schmalöer, Architekt und Stadtplaner aus Dortmund, die sich teileweise auf die gezeigten Objekte, teilweise auf abstrakte Themen wie „Konsumgesellschaft“ und „Umbaukultur“ beziehen. Am 23. März wurde die Ausstellung im Gartensaal des Baukunstarchivs NRW mit über 100 interessierten Besucher*innen eröffnet.

Richard (l.) und Jonathan Schmalöer in der Ausstellung im Gartensaal des Baukunstarchivs NRW – Foto: Melina Beierle/Architektenkammer NRW

„Die ausgestellten fotografischen Werke repräsentieren Gebäude in Dortmund, die leer stehen, bei denen es Abrissvorhaben gibt oder bei denen ein Abriss diskutiert wurde“, erläuterte Jonathan Schmalöer seinen dokumentarischen Ansatz. Die Ausstellungsobjekte seien zu Jahresbeginn 2023 entstanden. Jonathan Schmalöer reduzierte dabei in Fotomontagen die portraitierten Gebäude bis auf das Mauerwerk bzw. ihre Grundstrukturen. Auf diese Weise soll das Potenzial der gezeigten Bauwerke für eine Weiternutzung oder einen Umbau deutlich gemacht werden, erklärte der Fotograf.

Richard Schmalöer berichtete, dass er in seiner Arbeit als Architekt und Stadtplaner viel im Bestand gearbeitet habe. „Ein Anliegen war mir dabei immer, die Stadtidentität und -geschichte zu wahren.“ Später hätten auch zunehmend Aspekte der Nachhaltigkeit seine Arbeit motiviert, so Richard Schmalöer.

Der Ausstellungstitel diene einerseits als Hinweis darauf, dass viele Baustoffe endlich sind, erklärte der wissenschaftliche Leiter des Baukunstarchivs NRW Prof. Dr. Wolfgang Sonne bei seiner Begrüßung zur Vernissage der Ausstellung. „Andererseits greift er aber auch auf, dass durch den Abriss von Gebäuden Stadtidentitäten und Stadthistorie verloren gehen können.“ Abriss und „das Verschwinden“ von Bauwerken geschehe in allen Städten, so auch in Dortmund.

Eröffnung der Ausstellung im Gartensaal des Baukunstarchivs NRW mit über 100 Besucher*innen. – Foto: Melina Beierle/ Architektenkammer NRW

Alternative „Umbaukultur“?

Prof. Tim Rieniets (Leibniz Universität Hannover) sprach in seinem Impuls zur Ausstellung über das Konzept einer „Umbaukultur“, mit der er sich seit vielen Jahren auseinandersetzt. Der frühere Geschäftsführer der Landesinitiative StadtBauKultur  NRW (heute: Baukultur NRW) zeigte konkrete Beispiele, die sich mit dieser Aufgabenstellung auseinandersetzen und somit anschaulich machen, wie mit Bestandsbauten umgegangen werden kann.

Etwa das „Haus Schreber“ von „amunt – architekten martenson und nagel theissen“ in Aachen: Beim Umbau dieses Gebäudes im Jahr 2011 wurde ein besonderer Wert auf die Verbindung von Alt und Neu und die Erhaltung des ursprünglichen Charakters des alten Siedlungshauses gelegt. So habe Energie gespart und auch die Identität der Siedlung bewahrt werden können, bekräftigte Prof. Rieniets.

„Wenn wir von Umbaukultur sprechen, dann handelt es sich um einen ganzheitlichen Prozess“, erklärte der Architekt, der auch Mitherausgeber der Publikation „Umbaukultur“ (Verlag Kettler) ist. Das müsse auch bedeuten, so Tim Rieniets weiter, dass gesetzliche Grundlagen diskutiert werden müssten, die Sanierung und Umbauten verstärkt ermöglichen. Auf diese Weise würde auch die Wertschätzung des vorhandenen Gebäudebestandes in der Gesellschaft zunehmen. „Umbaukultur kann auch neue Wege für ein anderes Planen und Bauen möglich machen, als wir es heute kennen“, zeigte sich Prof. Rieniets überzeugt. Dies könne bei Planerinnen und Planern auch Kreativität freisetzen könne. Alle Redner der Vernissage erklärten, dass der Abriss und Neubau von Gebäuden keine nachhaltige Lösung darstellten.

Grafik: © Jonathan Schmalöer

Ausstellung als Anregung

Die Ausstellung im Baukunstarchiv NRW versteht sich als Anregung zur Reflexion und zum Dialog. Richard Schmalöer unterstrich: „Wir hoffen, dass die Besucherinnen und Besucher ihre Umwelt in den Städten bewusster wahrnehmen, nachdem sie unsere Ausstellung gesehen haben.“ Das umfasse auch, den Blick auf vermeintlich abrissfähige Gebäudebestände zu schärfen.

Generell sei es wichtig, dass die Menschen über den Umgang mit endlichen Ressourcen bewusster nachdächten, „denn die Welt kann sich unseren momentanen Umgang nicht mehr leisten“, erklärte der Dortmunder Architekt und Stadtplaner.

„Der doppelte Verlust“. Noch bis zum 21.05.23. Geöffnet Di – So, 14:00 – 17:00 Uhr. Alle Interessierten sind zu einer Podiumsdiskussion am 18. April 2023 eingeladen – weitere Informationen dazu finden Sie hier.

29.3.23, Text: Melina Beierle