Werner Ruhnau (1922-2015) ist bis heute durch seine in Westfalen angesiedelten Initialprojekte des Theaters Münster und des Musiktheater im Revier (MIR) Gelsenkirche einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Die einzigartig spielerische Weise, mit der Ruhnau die Theaterräume der Nachkriegsmoderne in seinem gesamten Oeuvre erweiterte, entstand dabei in der Auseinandersetzung mit verschiedenen Planungsteams sowie unter aktiver Einbeziehung von bildenden Künstlern. Ruhnau zielte mit Hilfe angewandter Technik darauf ab, Umwelt zu gestalten, und leistete so einen innovativen Beitrag zur deutschen Architektur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Ausgangspunkt von Ruhnaus Wirkens war das westfälische Münster, wo der gebürtige Königsberger bereits 1955/56 mit dem Bau des Stadttheaters international Furore machte. Gemeinsam mit einem Architektenteam, dem neben ihm Harald Deilmann, Max von Hausen und Ortwin Rave angehörten, schuf er mitten im historischen Stadtkern einen modernistischen Theaterneubau, der unter Einbindung der Ruine des Romberger Hofes auch die Geschichte auf die Bühne stellte.

Modellfoto – Werner Ruhnau: Schauspielhaus Frankfurt, Innenraum im Modell, undatiert – Foto: Detlef Podehl

Weltruhm erlangte sein 1959 eröffnetes Stadttheater Gelsenkirchen (Musiktheater im Revier, MiR), ein für seine Zeit einzigartiges Bauwerk, das bis heute für den kulturellen Aufbruch der einstigen „Stadt der tausend Feuer“ steht. Zusammen mit den Avantgarde-Künstlern Yves Klein, Norbert Kricke oder Jean Tinguely schuf Ruhnau hier ein vielbeachtetes Gesamtkunstwerk, mit dessen „Theaterbauhütte“ er auch neue Lebens-, Arbeits- und Gestaltungsprozesse erprobte. Anfang der 2000er Jahre führte Ruhnau die Sanierung des seit 1997 unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes in Partnerschaft mit seinem Sohn Georg durch.

Das Spielerisch-Kreative zieht sich als roter Faden durch Ruhnaus Werk. Hierzu zählt ein flexibles Raumkonzept, welches das Trennende von Schauspiel und Publikum überwinden wollte: Sein 1958/59 für die Theater in Bonn und Düsseldorf entwickeltes „Podienklavier“ ermöglichte variable Bühnenräume, die sich über bewegliche Elemente kreieren ließen.

Architektur war und blieb für Ruhnau ein Experimentierfeld für das Kreativ-Schöpferische. Dies zeigt auch das 1968-72 in Herten realisierte Sozial- und Verwaltungsgebäude der Herta GmbH, wo unter Einsatz von Kunstwerken eine offene terrassierte Arbeits- und Pausenlandschaft entstand: Partizipation statt passives Konsumieren mit Hilfe von Architektur, Kunst und Spiel.

Dieser Ansatz lag ebenfalls seiner unausgeführten Konzeption für den deutschen Pavillon der Weltausstellung in Montréal 1967 zugrunde und floss in die Idee der „Spielstraße“, die Ruhnau anlässlich der Olympischen Spiele von 1972 in München umsetzte. Hier vereinte er als Architekt, der sich gleichzeitig als Intendant verstand, den Sport mit den Künsten. Rund um den Olympiasee ließ er Zonen für eine freie, lebendige Kommunikation zwischen Bewohnern, Besuchern und Künstlern entstehen, zu denen etwa Timm Ulrichs oder Anatol Herzfeld zählten. Erneut war ein lebendiges partizipatives Miteinander das zentrale Credo.

Als Hochschullehrer wirkte Ruhnau in die nachfolgende Generation von Bau- wie Theaterschaffenden hinein. Sein inspiriertes Wissen gab er an den Universitäten von Québec und Montréal (1965-67), Köln (1970-71), der Frankfurter Städelschule (1973-75) und der Universität Essen (1977-78) weiter. Darüber hinaus wirkte er durch seine Schriften und programmatischen Äußerungen.

Zu seinen späten Projekten gehört das Theater im Anhaltischen Stendal und die denkmalpflegerische Instandsetzung des Festspielhauses in der Dresdner Gartenstadt Hellerau: ein durch Adolphe Appias Reformtheaterkonzeption um 1910 für Ruhnaus gesamtes Schaffen ein paradigmatisches Schlüsselbauwerk.

Die Ausstellung „Werner Ruhnau. Bauen für die offene Gesellschaft“ zeigt Ruhnaus Werk aus dem im Baukunstarchiv NRW bewahrten Nachlass. Präsentiert werden neben zahlreichen Originalmodellen auch Pläne, Zeichnungen, Fotos und historische Zeitschriften. Im Rahmen des Ausstellungsprojekts wurde der Nachlass vorgesichtet, der Diabestand mit ca. 20.000 Stück konnte durch Dr. Ute Reuschenberg (TU Dortmund) digitalisiert und damit der Forschung direkt zugänglich gemacht werden. „Werner Ruhnau. Bauen für die offene Gesellschaft“ schließt damit an die Ausstellungen über Josef Paul Kleihues (2019/2020) und Harald Deilmann (2021/2022) an, die ebenfalls durch die LWL-Kulturstiftung ermöglicht wurden und im Baukunstarchiv NRW zu sehen waren.

Im Rahmen der Projektkooperation mit dem Theater in Münster und dem Musiktheater in Gelsenkirchen finden parallel zur Ausstellung im Baukunstarchiv NRW zahlreiche Veranstaltungen zu „Werner Ruhnau“ vor Ort in Münster und Gelsenkirchen statt, darunter Führungen, Veranstaltungen und Pop-up-Events. Wir danken unseren Kooperationspartnern für die Zusammenarbeit.

Ausstellung und Forschungsprojekt „Werner Ruhnau“ werden gefördert durch die LWL-Kulturstiftung im Rahmen des Programms 1200 Jahre Westfalen.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog in der Reihe des Baukunstarchiv NRW:
Werner Ruhnau. Bauen für die offene Gesellschaft. Werk, Bestand, Kontext
Hrsg. Wolfgang Sonne

Text: 16.04.2025, Dr. Christian Welzbacher

Laufzeit „Werner Ruhnau. Bauen für die offene Gesellschaft. Werk, Nachlass, Kontext“: 16.05. – 27.07.25, Lichthof  im Baukunstarchiv NRW. Vernissage am 15. Mai – Informationen zur Vernissage finden Sie hier.