Gestern (11. August 2022) eröffnet: Neue Ausstellung „TEHERAN – TEL AVIV: Experiment International Style 1930 – 40“ im Baukunstarchiv NRW.
Text: Christof Rose/ Architektenkammer NRW
Teheran und Tel Aviv zwischen 1930 und 1940: Persien und Israel; der Schah und die Siedler. Zweimal Aufbruch in die Moderne, einmal in einer Monarchie, das andere Mal in einem jungen Mandatsgebiet. In beiden Ländern arbeiteten bedeutende Planerinnen und Planer sowie Künstlerinnen und Künstler im Auftrag des Staates sowie privater Bauherren, und zwar im Zeichen und Stil der Moderne. Wie sich die Bauwerke dieser Epoche über die folgenden Jahrzehnte entwickelt haben, und ob und inwieweit sich Vergleiche zwischen Teheran und Tel Aviv ziehen lassen, beleuchtet bis zum 9. Oktober 2022 eine Ausstellung im Baukunstarchiv NRW. Die Aachener Fotografin Irmel Kamp und der Berliner Fotograf Andreas Rost blicken mit sehr individuellen Ansätzen auf Bauwerke der Moderne im heutigen Iran und in Israel. Eine spannende und inspirierende Gegenüberstellung.
Dabei könnten die Voraussetzungen unterschiedlicher kaum sein. Während die Teheraner Baukunst nahezu unbekannt (und unerforscht) ist, scheint die Moderne von Tel Aviv (unter der falschen Zuschreibung des „Bauhauses“) längst legendär geworden. Gemeinsamkeiten und Unterschiede: Darauf macht die Ausstellung im Baukunstarchiv NRW in Dortmund aufmerksam. Wie der Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, Ernst Uhing, anlässlich der Vernissage am 11. August in Dortmund ausführte, will die Ausstellung „Klischees und vorgefasste Meinungen überwinden, in einer Begegnung konstruktive Energie und Entdeckerlust freisetzen und dazu anregen, die ‚architektonische Moderne‘ neu zu sehen“.
Die Fotografen und ihre Konzepte
Irmel Kamp (Aachen) und Andreas Rost (geboren in Weimar; lebt in Berlin) spüren mit ihren fotografischen Inszenierungen von jeweils 26 Bauten historischen Zusammenhängen nach, stellen kulturelle Kontexte her, die auch aktuelle Fragen aufwerfen. Wie der Kurator der Ausstellung, Dr. Christian Welzbacher, erläuterte, geht es beispielsweise darum, die „Mythenbildung der Moderne“ zu hinterfragen. Eine Bezugnahme auf das Bauhaus etwa greife zu kurz, da die in Teheran und Tel Aviv tätigen Architekten jener Jahre an ganz unterschiedlichen Orten ausgebildet worden seien, aber ähnliche architektonische Vorstellungen von rationellem Bauen, von Modernität und Aufbruch verfolgt hätten.
Weitere Aspekte, die durch die Ausstellung zur Diskussion gestellt würden, beträfen den Umgang mit den Bauwerken, nach ihrer Weiternutzung und baulichen Entwicklung. Es stelle sich aber auch die Frage, inwieweit Architektur politische Aussagen und Haltungen reflektiert – und wie die Architektur auf wechselnde politische Systeme reagiert, führte Kurator Christian Welzbacher aus.
Künstlerische Dokumentation und Forschung
Die Ausstellung stellt die Bilderserien zweier international renommierter Fotokünstler gegenüber. Irmel Kamps Aufnahmen von Tel Aviv entstanden in einem mehrjährigen Projekt Ende der 1980er Jahre. Sie zeigen die Bauten in einem regelrechten Dornröschenschlaf vor ihrer Wiederentdeckung – die durch diese Fotoserie maßgeblich mit eingeleitet worden war. Andreas Rost fuhr 2018 in den Iran, um die Bauten der Moderne fotografisch zu erkunden. Das Projekt ist ein erstes Herantasten an einen Baubestand, der weitaus größer ist, als vielfach angenommen wurde, und dessen systematische Erforschung, Dokumentation und Veröffentlichung aussteht. „Insgesamt ist das noch ein Schatz, der geborgen werden muss“, resümierte Kurator Dr. Christian Welzbacher.
Anlässlich der Vernissage am 11. August ordnete die Berliner Architekturhistorikerin und Kunstberaterin Franziska Schmidt die Fotoserien in den kunsthistorischen Zusammenhang ein. „Beide Serien waren ausdrücklich als Dokumentation angelegt“, unterstrich Schmidt. Unabhängig von der thematischen Nähe der beiden Projekte ähnelten die Bilder sich zwar in Aufbau und Umsetzung. Zugleich trügen sie einen eigenen Stil, auch einen anderen Ansatz. Irmel Kamps Bilder entstanden im Rahmen eines mehrjährigen Studienprojektes Ende der 1980er Jahre. „Damals waren viele Gebäude bereites verfallen oder stark vernachlässigt. Erst durch das Projekt wurde die Forschung angeregt und das Thema in das öffentliche Bewusstsein gerückt“, erläuterte Franziska Schmidt. Die Fotografien seien dokumentarisch, aber nicht naturalistisch.
In Teheran verdränge die kontinuierliche Nachverdichtung der Metropole die historischen Zeitzeugnisse. „Die bauliche Moderne, die der Schah in den 1930er Jahren vorantrieb, war für die gesellschaftliche Elite gedacht“, erinnerte die Fotohistorikerin. Bei den Aufnahmen im Jahr 2018 stand dem Fotografen Andreas Rost nur wenig Zeit zur Verfügung. „Hier war rasches, intuitives Fotografieren gefordert“, erläuterte Franziska Schmidt die Hintergründe der Entstehung der Bilder aus Teheran. Rost habe Bauten dokumentiert, deren Zukunft völlig offen sei.
In den Fotografien dokumentierten sich gesellschaftliche Haltungen und Prozesse, so Franziska Schmidt weiter. In ihrer Unmittelbarkeit, in ihrer Direktheit vermittelten die Fotos einen starken Ausdruck. Die Bilder überhöhten die Bauten nicht, sie bildeten sie aber auch nicht einfach ab. „Sie sind auf der Suche nach der Wahrheit. Durch das fotografische Abbild dringt somit Lebensnähe sowie eine historische Vergewisserung.“
Ausstellung als Raumskulptur
Die Ausstellungsarchitektur für den Lichthof des Baukunstarchivs NRW gestaltete Christos Stremmenos. Die 52 Fotografien hängen in strenger Choreografie in einem offenen Ausstellungssystem, das sich als Raumskulptur in drei Dimensionen entwickelt. „Die Besucher*innen bewegen sich entlang einer Diagonalen und richten den Blick entlang von zwei Achsen“, erläuterte Christos Stremmenos, Mitarbeiter im Baukunstarchiv NRW. Hinweise an den Wänden geben Orientierung, welche Aufnahmen zum Themenkreis Tel Aviv bzw. Teheran gehören. „Die Fotos haben eine starke suggestive Kraft, die wir mit dem Ausstellungskonzept unterstreichen wollten“, so Christos Stremmenos. Für eine vertiefte Befassung mit den einzelnen Objekten bietet sich der Katalog an.
Führungen und Rahmenprogramm
Das Baukunstarchiv NRW beteiligt sich mit der Ausstellung am 11. September am „Tag des offenen Denkmals“. Die Ausstellung kann den ganzen Tag besucht werden; Christos Stremmenos, Gestalter der Ausstellungsarchitektur, wird drei Führungen anbieten (12.00, 14.00, 16.00 Uhr). Weitere Infos folgen zeitnah hier.
Am 17.09.22 wird Ausstellungskurator Christian Welzbacher anlässlich der „Dortmunder DEW21-Museumsnacht“ ebenfalls drei Führungen anbieten (jeweils ca. 30 Minuten; 16.45 Uhr; 18.45 Uhr; 20.45 Uhr). Info und Anmeldungsmöglichkeiten finden Sie zeitnah hier.
Katalog
Zur Ausstellung ist im Rahmen der Schriftenreihe des Baukunstarchivs NRW ein umfangreicher Katalog erschienen.
Weitere Infos
Infos zur Ausstellungen finden Sie auch hier.
„TEHERAN – TEL AVIV. Irmel Kamp – Andreas Rost.
Experiment International Style 1930-1940. Eine fotografische Begegnung“.
Ausstellungszeitraum: 12.8. – 9.10.2022. Baukunstarchiv NRW (Ostwall 7, 44135 Dortmund).
Öffnungszeiten: Di. – So. 14.00 – 17.00 Uhr. Eintritt frei.